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Alexandra Fender-Rother
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Fotografieren in Nepal

Auf einen Schrottplatz knippste ich Fotos, und machte einem vermeintlichen Terroristen eine grosse Freude.

Hintergrund

Fotografieren ist in Nepal grundsätzlich überall erlaubt ausser in speziell gekennzeichneten militärischen Zonen (zum Beispiel rund um den Ausflugsort Nagarkot) oder in bestimmten religiösen Bauten. Für Fotos von Personen gilt aber auch hier die Grundregel: Zuerst fragen, dann fotografieren. Wer die geschminkten  Bettelmönche (Sadhus) an heiligen Orten wie etwa dem öffentlichen Krematorium Pashupatinath fotografieren will, muss damit rechnen, dass die Mönche von ihm Geld verlangen.

Tipp

Über die Ethik des Fotografierens – und speziell über die Ethik der Fotografie in Entwicklungsländern oder in Krisengebieten – wird kontrovers diskutiert. Die Debatte dreht sich um die Schlagworte „die Kamera als Waffe“, „die Objektivierung der Subjekte“ oder „Linsen-Erniedrigung“. Wer mehr über das Thema wissen will, findet auf dem Blog www.aidthoughts.org (Stichwort „poverty porn“) des Oxford-Gelehrten Matt Collins reichlich Gedankenanstösse und Literaturverweise.

Foto-Freuden im Schrottplatz-Leben

Er heisst Pulupor Tam. Doch, das weiss ich noch nicht, als ich kurz vor dem Eindunkeln den steilen Weg hinauf zur Schrotthalde am Stadtrand Kathmandus gehe und durch das offene Tor in der Wellblechwand hinein ins schmierige Chaos trete. Ich war schon einmal hier, vor rund einer Woche, und hatte mich mit dem indischen Besitzer des Schrottplatzes und mit seinen vier Mitarbeitern unterhalten. Ein zufälligerweise anwesender Kunde bot sich damals als Übersetzer an. Hinter den meterhohen Schrottbergen höre ich ein lautes Hämmern und klettere über alte Reifen und rostige Motoren hinein ins kablige Getümmel. Der Chef persönlich kniet da und haut mit einem Hammer auf einem eckigen Stück Blech herum. Er schaut mich verdutzt an, lacht laut und heisst mich in Hindi aufs Neue herzlich willkommen in seinem Reich. So mindestens deute ich die strahlend vorgetragenen Phrasen.

Heute habe ich etwas mitgebracht. Eine grosse Toblerone, ein paar kleine Victorinox-Sackmesser und die Bilder der Schrotthalden-Arbeiter, die ich bei meinem letzten Besuch hier gemacht hatte. Ich liess sie im Bag Bazaar auf A4-Blätter ausdrucken und habe sie einzeln in Klarsichtmappen gesteckt. Sie gefielen mir, und ich dachte mir, dass sich die Arbeiter vielleicht auch über ihre Portraits freuen würden. Ich will den Chef fragen, wo ich denn seine Arbeiter finden könne. Ich kenne ihre Namen nicht. Also frage ich – etwas beschämt – wo denn “Mr. Pakistan BOOM” sei. So hat mir der Schrotthalden-Chef seinen ersten Mitarbeiter vor ein paar Tagen vorgestellt, als Witz, als Anspielung auf die vielen Selbstmordattentäter, die aus dem Heimatland des Mitarbeiters kämen. Der Chef krümmt sich vor Lachen, haut sich aufs Knie, wiederholt den Spitznamen, seine Eigenkreation, unzählige Male. Dann führt er mich tief hinein in sein Reich, vorbei an Kabelbergen, alten Bussen, einem bellenden, angeketteten Schäferhund. Der Boden ist ölig und schwarz. Die Szenerie wirkt höllisch und vor mir schreit der Chef unablässig “Pakistan BOOM! Pakistan BOOM!” in die engen Gassen zwischen den Schrottbergen hinein. Und dann steht er plötzlich vor uns, mit dreckigem Pulli, einem Schraubschlüssel in der hängenden Rechten, einem Lappen in der hängenden Linken und einem überraschten Blick im Gesicht. Er erkennt mich und beginnt laut zu lachen. Er hat ganz offensichtlich nicht damit gerechnet, mich jemals wieder zu sehen. 

Als ich dem Pakistani sein Bild überreichem, dreht er sich beschämt ab, schaut mich und das Bild abwechslungsweise an, lächelt, schlägt die dreckigen Hände vor dem Gesicht zusammen. Er nimmt das Bild und führt mich und den Chef aus den Schrotthügeln hinaus zu seiner überdachten Schlafpritsche. Mit seinem Schraubschlüssel und einem rostigen Nagel befestigt er das Foto an die Blechwand und bedeutet mir, auf der Pritsche Platz zu nehmen. Er verschwindet, ich bleibe mit dem Chef alleine auf der Pritsche sitzen. Eine Weile später kommt der Pakistani mit drei vollen Teegläsern zurück. Wir trinken, betrachten das Bild, lachen und unterhalten uns irgendwie, in allen unerdenklichen Sprachen.  

Es ist schon stockdunkel, als ich mich am Wellblechtor vom Pakistani verabschieden will. Er streckt mir seine ölige Hand hin, ich greife zu. „My name is Pulupor Tam, not ‘Pakistan BOOM‘“, lächelt er leise. Ich gehe den steilen Weg hinunter zur Ring Road, stolpere dem ausgetrockneten Abwassergraben entlang zurück Richtung Stadt. Bilder sagen manchmal vielleicht wirklich mehr als tausend Worte, denke ich mir. Und manchmal, manchmal machen sie Worte überflüssig, weil sie Menschen miteinander verbinden und einen vergessen lassen, dass man sich eigentlich gar nicht versteht. 

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