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Alexandra Fender-Rother
Nepal Trekking Expertin seit 1998.

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Ruf der Europäer in Nepal

Weisse Westeuropäer gelten vielen Nepalesen als Halbgötter. Grund dafür ist ein kapitalistischer Aberglauben.

Hintergrund

Westler haben in Nepal einen guten Ruf. Nepal wurde nie in seiner Geschichte von westlichen Mächten kolonialisiert. Anders als etwa in Indien werden Europäer daher nicht als die einstigen Kolonialherren wahrgenommen. Manchen Nepalesen gelten weisse Westler als Halbgötter, denen gegenüber man sehr respektvoll, teilweise gar unterwürfig auftritt. Wenn ein „khaire“ (wörtlich „ein Grauer“, im übertragenen Sinne aber „ein Weisser“) ein Geschäft betritt, gilt das vielen Geschäftsleuten als gutes Omen. Generell wissen die Nepalesen aber wenig über Europa und den Westen.

Tipp

Seit der damalige Premierminister Prachanda 2008 etwas überhastet versprochen hatte, Nepal in „the next Switzerland“ zu verwandeln, ist die Schweiz vielen Nepalesen ein Begriff. Nepalesen freuen sich über Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und ihren Gästen. Erzählen Sie Ihren nepalesischen Bekanntschaften von den Alpen, die dem nepalesischen Himalaya-Gebiet gar nicht so unähnlich sind (abgesehen davon, dass sie nur halb so hoch in den Himmel ragen).

Weisse Dame bitte vorrücken! 

Dashain, das grösste Volksfest in Nepal, 15 Tage feierliche Heiterkeit, Familienzusammenkünfte, Schlachtzeremonien, Götterehrungen, Festmahle, Tanznächte. Viele Hauptstadtbewohner verlassen Kathmandu jedes Jahr im Oktober, um in ihren Herkunftsdörfern Dashain zu feiern. Die Läden und Restaurants bleiben geschlossen, die Taxifahrer verlangen Extrapreise, die Metropole wird zur temporären Geisterstadt. 

Ich habe mich daher entschlossen, Kathmandu für ein paar Tage zu verlassen und mich aufzumachen ins Gokyo-Tal. Um in den Teahouses und Lodges entlang der Trekking-Routen ab und dann übernachten und eine Kanne heissen Tee kaufen zu können, wollte ich mir ein Bündel kleine Rupien-Scheine besorgen. 
Die 1000-Rupien-Noten, welche die Bankautomaten in Kathmandu ausspucken, werden in vielen Lodges im Gokyo-Tal gar nicht angenommen. Als ich am frühen Abend die Filiale der Siddhartha Bank im Stadtzentrum betrete, ist die Wartehalle voll mit Nepalesen, die sich vor dem grossen Fest noch Geld besorgen oder ihr Erspartes auf die sichere Kante legen wollen. Ich stelle mich hinten an und bereite mich innerlich auf eine längere Wartezeit vor. Ich ziehe mein Heftli aus der Tasche hervor und schlage es auf Seite 17 auf. Ich beginne zu lesen, vertiefe mich in den Text. Keine Minute später bemerke ich zwei uniformierte Sicherheitsmänner, die lächelnd auf mich zusteuern. „Namaste, Namaste. Sagen Sie, haben Sie es eilig?“ –  „Nein“, antworte ich, etwas verwundert. „Ich habe Zeit, kein Problem.“ –  „Ok, kommen Sie, kommen Sie, die Bankmanagerin kann Ihnen jetzt weiterhelfen.“ Ich verstehe nicht, was die beiden Sicherheitsmänner wollen, schaue mich fragend um. „Kommen Sie, die Bankmanagerin erwartet Sie.“ Die beiden Herren schauen mich auffordernd an. Ich packe mein Heftli in die Tasche und stolpere ihnen nach durch die Wartehalle. Am anderen Ende der Halle erwartet mich eine freundlich lächelnde Frau hinter einem verglasten Schalter. „Namaste, ich bin die Filial-Leiterin. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Die beiden Sicherheitsmänner flankieren mich, als ob mir als weisse Bankkundin besonderer Schutz zustehen würde. Ich schaue die Filial-Leiterin hinter dem dicken Glas etwas unsicher an, sage ihr, ich bräuchte kleine Scheine für eine Trekking-Tour und wiederhole, was ich schon den beiden Sicherheitsbeamten gesagt habe. „Ich habe Zeit, kein Problem, ich kann warten wie die anderen.“ –  „Oh, das ist nicht nötig. Was für Scheine hätten Sie denn gerne?“ 

Drei Minuten später stolpere ich wieder durch die Wartehalle Richtung Ausgang– noch immer flankiert von den beiden Sicherheitsmännern. In meiner Tasche habe ich drei Bündel kleiner Rupien-Scheine, die mir die Filial-Leiterin im Tausch gegen meine 1000-Rupien-Noten ausbezahlt hat. Die Schlange vor dem anderen Schalter ist unverändert lang. Die nepalesischen Kunden warten, einige lächeln mich an. Keiner scheint wütend zu sein über die Spezialbehandlung, die der westlichen Kundin geboten wurde. 
Einer der Sicherheitsmänner hält mir die Tür auf, ich trete hinaus und versuche, die Welt zu verstehen.

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